Meine Geschichte mit Israel

Montag, 13. Oktober 2025

Zuallererst sei gesagt: Ich bin ein Langsamstarter. Das gilt auch für meine Begeisterung für Israel. Hier ist die Geschichte, wie meine Liebe zu diesem Volk wuchs.

Meine Kindergärtnerin war Diakonisse. Ich sehe sie noch heute vor mir, ein riesiges Buch mit blauen Bildern auf dem Schoss. Daraus erzählte sie Geschichten, Klassiker aus dem Alten Testament, die später in der Sonntagsschule aufgefrischt wurden.

Jüdischer Mitschüler und Mitschuldgefühle

In meiner Schule in Stuttgart stiess in der achten oder neunten Klasse Leo dazu – ein jüdischer Junge. Er war gut in Mathematik und im Sport. Eine zarte Freundschaft entwickelte sich zwischen uns während der Schulzeit. Um diese Zeit herum war ich zu einem lebendigen Glauben an Jesus gekommen und fing an, IHM nachzufolgen.

Im Geschichtsunterricht vernahm ich von dem Furchtbaren, das mein Volk den Juden angetan hatte. Das lag damals noch nicht lange zurück. Allein in der Wohnung überfiel mich dann unsagbare Trauer mit tiefen Mitschuldgefühlen über dem schrecklichen Leid, das wir den Juden angetan hatten. Ich weinte und bat Gott schluchzend um Vergebung.

Aber auch dieses Erlebnis trat in den Hintergrund und leider wuchs meine Erkenntnis über Israel auf dem theologischen Seminar nicht. Im anschliessenden Verkündigungsdienst hatte ich eine Decke über meinen inneren Augen und verstand Gottes Wege mit Israel überhaupt nicht. Es ging jetzt um Gemeindeaufbau und Reich Gottes.

Reise nach Israel

Wie aus dem Nichts kam der Wunsch auf, nach Israel zu reisen. Im Frühling 2011 öffnete sich die Tür und vor dieser wichtigen Reise betete ich: «Herr, schenke uns einen Israeli als Freund.» Gott erhörte das Gebet und wir lernten am zweiten Tag in Jerusalem Paul Benjamin kennen, einen älteren, alleinstehenden messianischen Juden. Er war von den USA in Israel eingewandert. Überraschend lud er uns zum Essen bei sich zu Hause ein und nahm unsere Einladung in die Schweiz mutig an. Seither kommt er dreimal jährlich zu uns.

In den vielen Gesprächen mit Paul begannen wir Gottes Plan mit Israel zu verstehen. Wir verschlangen Bücher, die unsere neuen Kenntnisse vertieften. Als Theologe tauchte ich in diese Thematik ein und nach der Pensionierung fing ich noch einmal ganz vorne in der Bibel an. Seither predige ich, wo immer ich angefragt werde, fortlaufend aus dem Ersten Testament mit Blick auf das Zweite. Dabei drehe ich jeden Vers um, klopfe ihn ab und finde Antworten. Inzwischen bin ich im 56. Kapitel von Jesaja gelandet und immer wieder überwältigt von dem uralten Buch mit seinen Prophetien bis in unsere Zeit. Danke, Heiliger Geist.

Es begleitet mich eine grosse Dankbarkeit Israel gegenüber und eine gottgeschenkte Liebe zu diesem Volk, das wir zu segnen begonnen haben.

 

Bericht in der Oktober-Ausgabe vom wort-wärch erschienen. | Text: Reiner Siebert, Pfarrer EGW im Ruhestand | Bilder: zVg