Franz Schnyder prägte mit seinen sechs Gotthelf-Verfilmungen das Bild des Berner Dichterpfarrers. Doch den letzten, in Farbe gedrehten Film, der 1964, zur Zeit des Pillenknicks, in die Kinos kam, goutierten die Kritiker nicht. Manche fanden ihn altbacken. Dass der Moosegg-Regisseur Simon Burkhalter zwei Generationen später Franz Schnyders Drehbuch als Vorlage nimmt, hat seinen eigenen Reiz.
Mit Gotthelf unterwegs
Denn der gebürtige Emmentaler, der zu den grossen Drei des alten Schweizer Films gehört, lebte jahrzehntelang mit Gotthelfs Gestalten. Er blendete den Prediger im Autor nicht aus und gab christlicher Glaubenspraxis Raum. Den Film verstand Schnyder als Gleichnis. Burkhalter lässt ihn sagen: «Was einer älteren Generation noch ins Taschentuch ging, geht den Jüngeren nur noch auf die Nerven.»
Gebet – unzeitgemäss?
Der erste Teil von «Geld und Geist» schildert die Entfremdung der Eheleute auf Liebiwyl nach dem Totalverlust eines grossen Investments, das Unglück, das so über die Familie kommt – dann aber auch ihre Versöhnung. Der Impuls dazu wird Aenneli im Gottesdienst geschenkt durchs Unser Vater. Die folgende Wiederherstellung der ehelichen Wertschätzung und Liebe ist von oben geschenkt – ein Wunder, nicht Ergebnis einer Ehetherapie.
Mögen Gebete, aus tiefem Herzen oder förmlich-rasch bei Tisch, heute komisch punktiert und vom Publikum mit spöttischem (oder verlegenem?) Lächeln quittiert werden – für Gotthelf damals wie für Gläubige heute sind sie richtig, um Gott zu danken, ihn zu ehren oder seine Not-wendende Hilfe zu erbitten. Könnte es sein, dass Unverständnis und Misstrauen, Verachtung und Hass heute um sich greifen, weil die meisten das Beten verlernt und vergessen haben?
Vorwürfe bis zur Entfremdung
Schnyders (und Burkhalters) Verdichtung des 300-seitigen Romans weist auf, wie eine bittere und beschämende Erfahrung Eheleute, die lange vorbildlich miteinander umgegangen sind, auseinanderbringt.
Sie werfen einander Mist vor die Türe: da die (nicht unbegründete, nun verschärfte) Kritik am Zögern und Aufschieben von Arbeit auf dem Hof, dort die Unterstellung, durch freigiebiges, barmherziges Helfen schade die Bäuerin der Haushaltung. Danièle Themis und Hans Peter Blaser geben ein gütiges Änneli und einen sensiblen Christen überzeugend und in knappen Szenen mit Nuancen.
Der Regisseur auf der Bühne
«Franz Schnyders Geld und Geist» verwebt Gotthelfs Bauerndrama mit den Reflexionen des gealterten Regisseurs und seinem Leiden in der psychiatrischen Anstalt Münsingen.
Schnyder (Max Sterchi) ereifert sich über das Anstaltsregime, das von einem autoritären Chef durchgesetzt wird, und sucht seinen Zwängen zu entkommen. Er erklärt seinen Umgang mit Gotthelf und dessen Stoff und lässt sich von der Oberschwester Erika (Franziska Christen) Erinnerungen entlocken.
Bei allem Unterhaltungswert bleibt die Frage, ob Gotthelfs Plot durch die zweite Ebene an Tiefe oder Aktualität gewinnt. Jeder Besucher wird sie selbst beantworten müssen.
Liebe mit Schmerzen
Als dritte Hauptperson tritt Resli (Simon Burkhalter), der Sohn von Christen und Änneli, nach der Pause vollends ins Zentrum. Er hat mit einem Mädchen, das er nicht kennt, getanzt und will sie wieder sehen. Wie er Anne-Mareili (Sarina Wälti) vor groben Burschen schützen will, wird er arg verletzt und von ihr zur Pflege heimgeholt.
Bringt das Böse die Friedfertigen zur Strecke?
Auf dem Hof lernt er ihren bösen Vater kennen. Der Dorngrüt-Bauer (Michael Enzler spielt als Ostschweizer mit Bernern) vereint Geldgier, Gottlosigkeit, Grobheit und Menschenverachtung in bedrückender Intensität.
«Wes e Herrgott gub, hätte sie ihn scho lengschte zeigt!» ruft er selbstherrlich aus und treibt den Preis für seine Tochter – auch ein Witwer will sie haben – in die Höhe.
Würde Gottlosigkeit heute derart in ihrer zerstörerischen Potenz dargestellt? Wohl kaum. 60 Jahre nach dem Film sind jene, die für den Mammon leben und das Ethos partout nicht auf Gott und seine Ordnungen gründen wollen, wohl nicht weniger verbohrt, eher noch eigensinniger.
Das Ende des Wüstlings
So leiden die Zuschauer mit Resli und Anne-Mareili, auch mit ihrer Mutter, die dem Dorngrüter ausgeliefert ist. Kommen Ehrerbietung und Freundlichkeit gegen seine Rohheit und Verschlagenheit an? Hat die Liebe – das Stück gibt ihr nicht viel Zeit – eine Chance?
In den dramatischen Wendungen zum Happy End empfinden die Zuschauer, wie anfechtbar und verletzlich das Glück ist, das wir so ersehnen.
Der arge Tod des Bösen und der gute der Bäuerin, die sich aufgeopfert hat, verleiht dem Ende des Dramas etwas Archaisches. Nach emotionalen Wirrungen finden sich Resli und Anne-Mareili und können den Hof übernehmen. Liebiwyl triumphiert.
Aufführungen bis 19. August
Website Moosegg-Freilichtspiele Bilder: Moosegg Freilichtspiele