Irrlehrer, falsche Brüder und Räuber

Dienstag, 14. Januar 2025

Das Neue Testament warnt uns immer wieder vor Irrlehre. Das geht uns etwas an. Unmöglich kann folgender Artikel dem Thema gerecht werden, soll aber zum Nachdenken anregen.

«Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: 
Wer nicht durch die Tür in die Schafhürde hineingeht,
 sondern anderswo hineinsteigt, der ist ein Dieb und ein Räuber.» 
Johannes 10,1

«Da sprach Jesus wiederum zu ihnen: 
Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ich bin die Tür für die Schafe.» 
Johannes 10,7

 

Beim Lesen von Dieben und Räubern, welche zu den Schafen hineinsteigen, dachte ich jahrelang an Menschen mit bösen Absichten. Ich hatte Betrüger vor Augen, die sich nur bereichern wollen oder Satanisten, welche zum Zerstören von Gemeinden ausgebildet werden. Und ja: Solche Menschen gibt es und vielleicht sogar mehr, als wir ahnen. Trotzdem bin ich heute der Überzeugung, dass Jesus auch ein verbreitetes Problem ansprach, welches sich heute direkt vor unseren Augen abspielt.

Wie Gottes Kraft verloren gehen kann
Jesus beschrieb die Diebe und Räuber als Menschen, die nicht durch die Tür zur Herde gelangen, womit er wohl gemeint hat, dass diese nicht durch Jesus Teil der Gemeinde werden.

In besucherfreundlichen Gottesdiensten werden alle Menschen willkommen geheissen und sollen Liebe und Annahme erfahren. Soweit alles gut. Im Laufe der Zeit sehen sich diese Leute immer mehr als Teil der Gemeinde, welche alles tut, um sie nicht zu überfordern. Keinesfalls sollen sie sich aufgrund ihrer Lebensweise oder geistlichen Erfahrung mangelhaft fühlen. Und genau hier stehen wir in Gefahr, die Erfahrung der Men-
schen, die den Heiligen Geist noch nicht empfangen haben, zum Massstab der Gemeindekultur zu machen.

Grundsätzlich freuen sich die meisten Mitglieder, bei der Gestaltung der Gemeinde mitzuwirken. Gemäss ihrer Begabung organisieren sie Anlässe, übernehmen Leitungsverantwortung oder halten eine Predigt. Das ist auch bei Menschen so, die keine Wiedergeburt erlebt haben. Und auch sie haben aufgrund ihrer Lebenserfahrung etwas zu geben. Ihre Schilderungen, wie sie vom Gefühl des «geistlichen» Mangels zu einem gesunden Selbstbewusstsein gefunden haben, berühren. Sie sind authentisch, können aber nicht darauf hinweisen, dass Jesus selbst dem ursprünglich empfundenen Mangel begegnen möchte.

Gnade in Zügellosigkeit verkehren

«Es haben sich nämlich etliche Menschen unbemerkt eingeschlichen, die schon längst zu diesem Gericht aufgeschrieben worden sind, Gottlose, welche die Gnade unseres Gottes in Zügellosigkeit verkehren und Gott, den einzigen Herrscher, und unseren Herrn Jesus Christus verleugnen.» 
Judas 1,4

Judas weist auf die Problematik hin, dass es in der Gemeinde Menschen gibt, die nicht Gottes Eigentum sind. Dass diese Gottes Gnade in Zügellosigkeit verkehren, muss nicht zwingend auf böse Absichten hindeuten. Es ist einfach so, dass sie die lebensverändernde Kraft von Jesus nicht kennen. Wer die verändernde Kraft von Jesus im eigenen Leben nicht erfahren hat, wird Gottes Forderungen auf gesetzliche Weise verstehen. Für sie ist Gnade in der Folge nicht Inbegriff des neuen Lebens, sondern lediglich Befreiung von Gottes Forderungen – das führt zu Zügellosigkeit, zur Weigerung, sich von Gott führen zu lassen.

Wer nicht von seiner sündhaften Natur überführt worden ist, kann die Tiefe des Sterbens von Jesus nicht verstehen. Das Kreuz verkommt dann zu einem Symbol oder wird auf eine Weise gedeutet, in welcher nicht der Sieg über die Sünde im Zentrum steht. Damit wird die Gemeinde ihrer Kraft beraubt – egal, ob dies aus Unverständnis oder aus Rücksicht gegenüber denjenigen geschieht, welche mit diesen Wahrheiten Mühe haben.

Judas weist auch darauf hin, dass die Menschen, die sich in die Gemeinde eingeschlichen haben, die Herrschaft Gottes leugnen. Dieses Leugnen wird verbal ausgedrückt, vor allem aber durch ein Handeln, welches sich nicht an Gott ausrichtet. Bei Menschen, die Jesus nicht persönlich kennen, ist dies auch nicht verwunderlich, denn wir können jemandem nur dann vertrauen und bedingungslos gehorchen, wenn wir diese Person gut 
kennen und felsenfest davon überzeugt sind, dass sie es gut mit uns meint. Ohne Heiligen Geist sind wir unfähig, Jesus in letzter Konsequenz nachzufolgen.

Die Frömmigkeit von Nicht-Wiedergeborenen

Wenn eine Gemeinde die Erfahrung ihrer Gäste als Massstab ihrer Lehre nimmt, wird die Wiedergeburt und das Wirken des Heiligen Geistes an Kraft verlieren. Ein Gast wird bei einem Gottesdienstbesuch dann denken: «Diese Leute sind wie ich. Mir fehlt nichts!» Und so kommt es, dass selbst die Wiedergeborenen sich an eine Frömmigkeit der Nicht-Wiedergeborenen gewöhnen und sich irgendwann nicht einmal mehr fragen, wo die Kraft des Heiligen Geistes geblieben ist. Spätestens jetzt wird klar, dass die Diebe und Räuber in ihrem Werk erfolgreich gewesen sind – egal welche Absicht sie gehabt haben.

Das Wirken des Geistes ist unser höchstes Gut 

Dieser Artikel ruft nicht dazu auf, Irrlehrer ausfindig zu machen oder die Echtheit unserer Glaubensgeschwister zu beurteilen. Im Kern geht es darum, unser geistliches Leben zu bewahren und zu verteidigen. Natürlich kennen wir Gebetsmüdigkeit und neigen bezüglich eines heiligen Lebensstils manchmal zu Trägheit oder Kompromissen. Doch dies ist weder Ausgangspunkt noch Ziel. Vielmehr wollen wir uns an kraftvolle Gebetszeiten erinnern und Gottes Gegenwart immer wieder neu geniessen. Wir strecken uns nach Gottes Kraft aus, welche uns zu einem heiligen und vollmächtigen Leben drängt. Das ist unsere Realität! Das ist die Realität der wiedergeborenen Frauen, Männern und Kindern. Es ist unser höchstes Gut und deshalb achten wir darauf, dass es uns nicht geraubt wird.

Bericht in der Januar-Ausgabe vom wort-wärch erschienen. | Bericht: Markus Richner-Mai | Bilder: zVg