In der grossen Familie Gottes

Das EGW trägt in seinem Namen das Wort «Werk». Das zeigt, dass wir tätig sind und nicht die Hände in den Schoss legen. Wichtig für eine Gemeinschaft, die Jesus nachfolgt, ist es aber auch, nicht nur über das nachzudenken, was wir tun, sondern auch über das, was wir sind. Deshalb steht im neuen Leitbild das Thema Identität unmittelbar nach der Einleitung.

Identität ist in unserer Zeit ein wichtiges Wort geworden, auch gerade unsere Identität als Menschen. Früher wurde uns gesagt, wer wir sind und – daraus folgend – was wir zu tun haben. Das hat neben viel Gutem auch viel Leid bewirkt: Menschen wurden in Sachen hineingedrängt und mussten ein Leben führen, das ihnen überhaupt nicht entsprach. Ich denke da an Söhne, die den Bauernhof widerwillig weiterführen mussten, oder an Frauen, die früher keine Ausbildung machen durften.

Heute ist das anders – zum Glück! Aber das Pendel hat aus meiner Sicht zu weit in die entgegengesetzte Richtung ausgeschlagen. Heute ist meine Identität schlicht das, was ich entscheide zu sein. Ich muss mich selbst entwerfen – immer wieder. Das hat zwar auf den ersten Blick etwas Attraktives, wird aber schnell zum Stress und kann grosse Unsicherheiten auslösen.

Als Christen haben wir unsere Identität in Gott, der uns erschaffen und zu einem Leben berufen hat, das von ihm, seiner Liebe, seiner Vision für eine gute Welt und von seiner Treue geprägt ist. Wir sind seine Kinder, für die er durchs Feuer gegangen ist.

Diese Identität bedeutet nicht eine absolute, aber eine heilsame Freiheit. Sie engt uns nicht ein, indem wir Dinge aufgedrückt erhalten, die uns völlig widersprechen. Aber sie lässt uns auch nicht einfach unheilvolle Wege gehen und erlaubt uns zum Beispiel nicht, andere mit unserem Verhalten zu verletzen.

Was aber ist nun die Identität des EGW? Darüber haben wir als Leitung intensiv nachgedacht. An dieser Stelle der erste Punkt, der uns wichtig wurde; die anderen beiden folgen in weiteren Ausgaben von wort+wärch.

«Als EGW sind wir Teil  der weltweiten christlichen Kirche.»

Wir gehören zur Gemeinschaft derer, die Jesus Christus als Herrn anerkennen. Wir sind nicht die einzigen, die das tun. Schon vor uns sind Menschen ihm nachgefolgt; nach uns werden kommende Generationen das tun. Und auch jetzt sind es viele, die an anderen Orten, in anderen Gemeinden und mit einer anderen Berufung seinem Namen die Ehre geben. Wir sind ein Teil der grossen Familie Gottes. Wie unsere Brüder und Schwestern glauben wir, dass Jesus uns erlöst hat und wir Gottes Kinder sind. Das ist unsere gemeinsame Identität.

Das Bild der Familie scheint mir hier sehr hilfreich. Denn es zeigt wunderbar, wie wir als Christen miteinander verbunden sind. Wenn mein Bruder leidet, dann leide ich mit. Wenn meine Schwester auf Irrwege gerät, dann lässt mich das nicht kalt. In beiden Fällen bete ich zu Gott um Hilfe für sie und versuche, auch selbst Hilfe zu sein.

Wenn ich diese Gedanken nun auf die weltweite Familie der Gotteskinder anwende, dann kommt mir ein altes Lied aus Psalm 133 in den Sinn: «Siehe, wie fein und wie lieblich ist’s, wenn Geschwister in Einheit zusammen sind, denn dort hast Du den Segen verheissen: Leben in Ewigkeit.»

Ich wünsche mir, dass wir die Christen, die nicht zu unserer EGW-Gemeinde gehören, nicht mehr als die anderen anschauen. Dass wir uns nicht mehr in Abgrenzung zu ihnen definieren, sondern dass wir sie zu uns zählen: zu unserer Familie.

Wenn also eine Kirche aus unserer Sicht falsche Entscheidungen trifft, dann sollten wir nicht mehr innerlich mit dem Finger auf sie zeigen und denken, wie viel besser wir sind als sie. Denken wir an den Pharisäer, der Gott dankte, dass er nicht so ist wie der Zöllner (Lukas 18,11). Nein, wenn eine andere Kirche aus unserer Sicht falsche Entscheidungen trifft, dann sollten wir uns nicht gut fühlen, sondern berührt werden und für sie beten.

Und wenn eine Kirche schrumpft und um ihre Existenz bangt, dann sollten wir nicht innerlich die Dinge aufzählen, die sie aus unserer Sicht falsch macht, sondern mitleiden, wiederum beten und vielleicht sogar helfen.

Jesus hat eine Gemeinschaft gestiftet. Wir als EGW dürfen zusammen mit vielen anderen zu ihr gehören. Zusammen bilden wir seinen Leib auf Erden. Hoffentlich sieht die Welt unsere Einheit deutlicher als unsere Streitigkeiten.

 

Daniel Ritter |  Mitglied der Leitung EGW