Das neue Leitbild des EGW erscheint modern und blumig. Es formuliert vom Inhalt her neu die Sehnsucht nach Erneuerung und Ausdehnung. Was hat es mit diesem wachsenden Saatkorn auf sich?
Ich war bereits in einigen EGW-Bezirken unterwegs, als Bezirksgötti, um das neue Leitbild vorzustellen. Und brachte jeweils ein Geschenk mit: ein Glas Dijon-Senf. Diese Geste soll an das Bild erinnern, welches dem Leitbild zugrunde liegt.
Vielleicht war es ein Kindheitserlebnis von Jesus. Im Gemüsegarten seiner Mutter Maria in Nazareth sah Jesus die verschiedenen Gemüse und Sträucher. Und da war diese Senfkornstaude. Von winzig kleinen Senfsaatkörnern wuchs der Strauch. Maria liess nach der Ernte die Staude stehen und riss sie nicht aus. Da kamen sogar Vögel und nisteten darin. Vielleicht sah Jesus das alles mit seinen eigenen Augen als Kind. Das wurde zu seiner Vision des Reiches Gottes. Vielleicht – wir wissen es nicht.
Wir leben dafür, dass dort, wo wir sind, Gottes Reich sichtbar und erlebbar wird.
Das neue Leitbild des Evangelischen Gemeinschaftswerks ist am 3. September an der EGW Jahreskonferenz feierlich mit Gebeten eingesetzt worden. Der Text entstand in Zusammenarbeit mit Pfarrpersonen und Bezirksverantwortlichen. Als es in der EGW-Leitung darum ging, den Text zu illustrieren, entschieden wir uns für dieses Reich-Gottes-Gleichnis des Senfkorns.
Unsichtbares wird sichtbar
Wir leben dafür, dass dort, wo wir sind, Gottes Reich sichtbar und erlebbar wird. Sichtbar werden heisst nicht, dass wir nur das glauben, was wir sehen. Sondern sichtbar werden heisst, dass wir auf das Unsichtbare schauen, damit es durch uns auf die Erde kommt. Wenn etwas auf diese Erde kommt, durch unser Denken, unser Fühlen und unser Handeln, dann wird es sichtbar. Es wird bereits dort sichtbar, wenn wir es betend und hörend wahrzunehmen beginnen.
«Das Reich der Himmel gleicht einem Senfkorn, das ein Mensch nahm und auf seinen Acker säte. Dieses ist zwar von allen Samenkörnern das kleinste; wenn es aber wächst, so wird es grösser als die Gartengewächse und wird ein Baum, sodass die Vögel des Himmels kommen und in seinen Zweigen nisten.»
Matthäus 13,31-32
Es wird sichtbar, wenn du es in deinem Herzen glaubst und mit deinem Munde bekennst. Denn Gott sieht dein Herz, Gott sieht ins Unsichtbare. Und weil es in deinem Herzen Raum findet, ist es für Gott sichtbar. Und es wird sichtbar werden, auch für dein Umfeld. Das Reich Gottes ist verborgen – ja – in diesem Senfsamen komprimiert, aber es soll sichtbar werden. So ist auch Sichtbares manchmal unsichtbar.
Es ist ein klar verständliches Bild, das uns Jesus vor Augen malt. Das Senfkorn, das ganz klein in die Erde gelegt wird, wächst und wächst, bis es schliesslich ein Baum ist. Wachstum ist ein Vorgang der Natur, den wir kennen. Kleines wird gross, etwas wächst aus unscheinbaren Anfängen zu mächtigen Resultaten heran. Soweit so gut. Die Frage ist aber: Was ist es denn, das wächst? Was meint Jesus hier mit dem Senfkorn?
Erlebte Wirkkraft
Erlebbar heisst: Ich werde von Jesus und seiner Kraft berührt. Denn das Reich Gottes besteht nicht in Worten, sondern in Kraft! (1. Korinther 4,20) «Erlebbar» meint geographische Orte, an welchen sich geliebte und befähigte Menschen treffen, einander ermutigen, Schwachen helfen, Starke freisetzen, auf ihren unsichtbaren und dennoch gegenwärtigen Herrn hören und das Gehörte als wertvoll erachten.
Dass neue Gemeinschaften entstehen – stelle es dir vor im Kanton Solothurn! Stell es dir vor im Kanton Graubünden, im Waadtland, im Kanton Genf oder im Wallis. Überall dort ist es möglich, dass das Reich Gottes sich ausbreiten kann in Form von Gemeinschaften. Dort soll es sichtbar werden.
Vielleicht denkst du: Das ist unmöglich, Phil. Unmöglich, dass das passiert. Dann würde ich antworten. Ja, menschlich gesehen ist es unmöglich. Aber die Senfkorn-Metapher lehrt mich:
- Gott ist mehr als fähig, diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen.
- Gott ist mehr als fähig, Türen zu öffnen, dass neue Gemeinschaften entstehen, dass Menschen Ihn erfahren und miteinander in unseren Gemeinden und Häusern Heimat, Identität und Versöhnung finden.
- Gott ist mehr als fähig zu bewirken, dass Menschen ihre Berufung entdecken, und dass du, liebe EGW-Frau, lieber EGW-Mann, Werkzeug bist in der Hand des Heiligen Geistes, dass Menschen Gerechtigkeit und in dieser Gesellschaft und Schöpfung Erneuerung erleben. Wir haben beschränkte Ressourcen, doch Gott ist mehr als fähig! Jesus ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden!
Ich bin überzeugt, dass dieser Slogan eine herzliche Einladung Gottes ist, die DNA des Reiches Gottes in dein eigenes Leben und Bewusstsein aufzunehmen. Um es umzusetzen in einer Welt, welche Glauben und Vertrauen, Liebe und Annahme und Vergebung dringend nötig hat. Jesus lädt dich ein, so zu denken, wie Gott denkt. So wird das Reich Gottes zum Geschenk für diese Welt.
Phil Wasem | Mitglied der Leitung EGW und Pfarrer EGW in Schönbühl