Gut übersetztes Gotteswort verändert Menschen

Montag, 8. Juli 2024

Rolf, kannst du uns etwas über dich erzählen?
Rolf Bühler: Gerne. Ich bin in Nidau aufgewachsen und die Cevi-Jungschar wie auch die Jugendgruppe der reformierten Kirche haben mich in jungen Jahren geprägt. Das EGW Biel wurde Mitte der 1990er Jahren meine Heimatgemeinde.

 

Du lebst aber nicht mehr in der Region Biel?
Nein, seit 25 Jahren wohne ich nicht mehr im Kanton Bern. Nach einer Arbeit in Genf führte mich Gott dazu, meine Gaben in der Administration einer Missionsgesellschaft in Afrika einzusetzen.

Wie denn genau? 
Wenn man an Mission denkt, denkt man oft an Evangelisten. Das ist nicht meine Gabe. Ich war selber erstaunt zu erfahren, dass es auch Leute wie mich in der Mission braucht. Zuerst dachte ich an einen Einsatz von sechs Monaten oder zwei Jahren. Daraus sind nun 
mehr als zwanzig geworden. Mit Wycliffe bin ich in der Region Zentralafrika engagiert.

 

Was macht Wycliffe?
Wie auch im EGW glauben wir bei Wycliffe, dass Gott durch die Bibel zu uns spricht. Darum setzt sich Wycliffe dafür ein, dass immer mehr Menschen die Bibel in ihrer Muttersprache lesen und hören können. Doch es geht nicht nur darum, die Bibel zu übersetzen. Sondern, dass sich auf Grund von Gottes Wort Leben verändern.

Und was ist deine Aufgabe bei Wycliffe?
Die Hälfte der Wycliffe-Mitarbeitenden sind nicht direkt in der Übersetzung engagiert. Meine Arbeit in der Verwaltung und im Finanzmanagement ist notwendig, damit die Bibelübersetzungsarbeit im zentralen Afrika stattfinden und das Leben von Menschen durch die Kraft von Gottes lebendigem Wort verändert werden kann.

 

Arbeitest du vor Ort, in Zentralafrika?
Als ich 2003 ausreiste, herrschte Bürgerkrieg in der Zentralafrikanischen Republik. So lebte ich im Nachbarland Kamerun im Exil und unterstützte von dort aus per Internet und mit Besuchen die Arbeit der lokalen Mitarbeitenden. Auf diese Weise arbeite ich auch heute noch, aber von den USA aus.

Warum wohnst du in den USA?
Meine Frau Katherine ist Amerikanerin, ich habe sie in Kamerun kennengelernt. Unser Sohn Matthias wurde in Frankreich geboren. Und jetzt sind wir in den USA zu Hause, wo meine Frau, auch aus finanziellen Gründen, einer regulären Arbeit nachgehen kann.

 

Wofür schlägt dein Herz?
Schon vor vielen Jahren habe ich mir ein Motto notiert: «Leben, erforschen und organisieren, mit Schönheit und Qualität, um Wachstum in Gottes Reich zu ermöglichen.»

Warum brauchen wir heute Bibelübersetzungen in lokalen Sprachen, wenn ein Grossteil der Menschheit heute Englisch, Französisch oder eine andere weitverbreitete Sprache spricht?
Ich selber merke, dass mich eine prägnante und klare deutsche Übersetzung direkter anspricht als der gleiche Text auf Englisch oder Französisch. Die eigene Sprache ist enorm wichtig. Dazu kommt, dass die Bibel in der lokalen Sprache diesen Menschen zeigt, dass Gott nicht nur ein Gott der Leute aus dem Westen ist, sondern auch ein Gott für sie, da er ihre Sprache spricht.

Wie haben Technologien wie Smartphones und Soziale Medien eure Arbeit verändert?
In der Zentralafrikanischen Republik versuchen wir, neben den gedruckten Neuen Testamenten auch gleichzeitig Audioversionen des Neuen Testamentes herauszugeben. Mit Smartphones können die Leute Bibeltexte lesen und hören und biblische Filme ansehen. Die Informatik hilft natürlich auch enorm bei der Übersetzung und der Prüfung der Texte.

 

Welche persönliche Geschichte hat Dich bei Wycliffe besonders inspiriert?
Hdi ist eine Sprachgruppe in Kamerun. Ein Wycliffe-Kollege berichtete, wie die meisten Verben mit einem «a», «i» oder «u» enden. In einem Traum bekam er den Eindruck, das Hdi-Wort für «lieben» genauer anzusehen, bei dem keine Endung mit «u» gebraucht wird. Er fragte einige Älteste: «Kann man seine Frau ‹dvi›-en?» «Ja», antworteten sie, das bedeutet, dass jemand seine Frau mal geliebt hat, die Liebe aber verflossen ist. «Kann man seine Frau ‹dva›’-en?» «Ja», diese Art von Liebe hängt vom Verhalten der Frau ab. Man liebt sie, solange sie treu bleibt und sich gut um ihren Ehemann kümmert. «Kann man seine Frau ‹dvu›-en?» Alle lachten. «Auf keinen Fall! Wenn du das sagst, müsstest du deine Frau jederzeit lieben, egal was sie getan hat, sogar wenn sie dir nie Wasser bringt und nie Essen für dich zubereitet. Selbst wenn sie dich betrügen würde, wärst du dazu verpflichtet, sie unverändert weiter zu lieben. Nein, wir würden niemals ‹dvu› sagen. Das ist einfach nicht möglich.»

Nach einer Pause fragte der Übersetzer dann: «Kann Gott die Menschen ‹dvu›-en?» Stille. Mit Tränen antworteten sie dann tief berührt: «Weisst du, was das bedeuten würde? Das würde bedeuten, dass Gott uns immer und immer weiter geliebt hat, Jahrtausende über Jahrtausende, während wir die ganze Zeit seine unendliche Liebe zurückgewiesen haben. Das würde bedeuten, dass er sich daran gebunden hat, uns zu lieben, obwohl wir die grössten Sünder unter allen Völkern sind!»

Ein einziger Vokal verändert die Bedeutung von «ich liebe dich» so grundlegend! Gott hat einen Hinweis auf seine bedingungslose Liebe direkt in die Hdi-Sprache hineingelegt. Nicht nur in diese Sprache, sondern in anderer Form auch in andere Sprachen, die noch auf Gottes Wort in ihrer Sprache warten.

Interview: Andreas Schmid, Pfarrer EGW Biel (Juli-wort+wärch)
Kontakt: rolf_buehler [at] wycliffe.ch (rolf_buehler[at]wycliffe[dot]ch) | de.wycliffe.ch