Die Komödie «Michelis Brautschau» frei nach Jeremias Gotthelf wird auf der Waldbühne zwischen Langnau und Biglen gespielt: ein vergnüglicher Abend.
Michel, 31, ein Bär von Mann, tüchtig und gutmütig, bewirtschaftet seinen Hof auf dem Knubel mit Erfolg und ist als einer der weitherum wohlhabendsten Bauern mit sich zufrieden.
Wesentlichen Anteil daran hat Anni, seine Kindsmutter, die ihn von klein auf umsorgt hat; ihre feste Hand ist im Haus an allen Ecken zu spüren. Auf dem Hof über dem Dorf mag sie sich angesichts der Missstände im «Weibervolk» keine junge Bäuerin vorstellen. Michel ist mit ihr bestens versorgt.
Wäre da nicht der Kaiser im fernen Paris. Napoleon braucht Soldaten für seine Feldzüge und die Eidgenossen haben zu liefern: Ledigen (Raufbolden und Delinquenten besonders) droht die Rekrutierung, der Marsch in Spaniens Glutofen oder Russlands Eiseskälte …
Michel geht darum auf Partnersuche – nach Annis anfänglichem Wehren. 200 Jahre vor Parship & Co. bieten sich für die Brautschau Tanzsonntage und Märkte an; Anni zieht zudem alte Fraueli und Hausierer bei. Doch im Werben um die Passende führt das hitzige Temperament des Knubelbauern, der Spott und Hohn nicht erträgt, regelmässig zu Raufereien. Auf Befehl seines Herrn greift auch der Sennenhund Bäri ein.
Neid und Missgunst tun das Ihre; bald ist Michel im Land als Wüstling verschrien. Doch um der Kühe und Taler willen steigen Bäuerinnen zum Knubelhof hinauf, um ihre Töchter Anni anzubieten ...
Auf der Moosegg hat der Regen am Premièrentag zeitig aufgehört, doch empfiehlt sich die Jacke. Aus dem Off von Silvia Jost fein eingeführt, geht das Ensemble engagiert ans Werk.
Timo Kobel gibt den Knubelbauern gutmütig und verletzlich, vier weitere Schauspieler teilen sich über zwei Dutzend Sprechrollen: Danièle Themis, eindrücklich als besorgte Hausmutter, Sarina Wälti charmant, Roland Schaffer dienstfertig und Simon Burkhalter, der vom Knecht über die Bauerntochter bis zum Ratsherrn changiert.
Burkhalter ist auch der Autor des Stücks; er hat Gotthelfs Kalendergeschichte von 1849, die von Dialektpassagen strotzt, unterhaltsam und effektvoll verdichtet; der Sprachwitz des Berndeutschen blitzt vielfach auf.
Unter seiner Regie sind die meisten Charaktere holzschnittartig gezeichnet, die Komödie neigt sich dem Schwank zu. Für den Schluss greift der Autor auf eine andere Geschichte Gotthelfs zurück, um Städter- und Bauernmentalität aufeinandertreffen zu lassen.
Die Waldbühne auf der Moosegg bietet diesen Sommer eine vergnügliche Begegnung mit Gotthelf – ohne Predigt und erhobenen Zeigefinger. Das Spiel der Geschlechter wurde vom Dichterpfarrer gespiegelt mit den Emotionen, wie sie die Menschen seit Urzeiten umtreiben.
In der Komödie des 21. Jahrhunderts schlüpfen Männer in Frauenkleider, die Darstellerin mimt zwischendurch den Grossbauern. Die Première fällt auf den Tag, an dem Schweizer Standesämter gleichgeschlechtlichen Paaren erstmals die Ehe verurkunden.
Dies weckt eine eigenartige Nostalgie, umso mehr, als Wochen zuvor die Berner Kirche daran gegangen ist, «Mann» und «Frau» aus den Bestimmungen zur kirchlichen Trauung zu entfernen ...
Wer Michel noch näher kennenlernen will, wie er seiner Feder entsprang, kann sich die Geschichte in epischer Breite (online) zu Gemüte führen.
Übrigens: Zum Werk von Jeremias Gotthelf hat der Berchtold Haller Verlag mehrere fein gestaltete Bücher veröffentlicht: «Geld ist und bleibt Geld …», «Kurt von Koppigen», «Zur Liebe ist das menschliche Herz geschaffen». Mehr zu den Büchern.
Freilichtspiele Moosegg, Vorstellungen bis 13. August