Der Festakt auf der Heubühne des Eigen-Hofs am 16. Juli bot eine faszinierende Reise in die Frühzeit der Konferenz. Mit dem Abendmahlsgottesdienst am 17. Juli endete eine segensreiche 114-jährige Geschichte. Das EGW plant für die nächsten Jahre eine Veranstaltung neuen Formats.
300 Besucherinnen und Besucher finden sich am Samstagmorgen auf dem Eigen ein. Der reiche Brunch versinnbildlicht die geistliche Nahrung, welche seit 1908 hier gereicht wurde. Dani Suter moderiert den Festakt, bittet eingangs Gott um Kraft zum Loslassen.
Walter Widmer und Peter Herrmann, mit dem Eigen von Kindesbeinen an vertraut, lassen in 45 Minuten die Anfänge, den Mut der Pioniere und die Entwicklung der einzigartigen Sommerkonferenz auf dem Bauernhof aufleben, aufblitzen. Die Urgrosseltern des heutigen Hofinhabers Adrian Meister lancierten die Konferenz 1908. Mit dem nebenan wohnenden Prediger Christian Portner wollten sie den Bauern der Region das Evangelium sagen und sie zu Hingabe und Heiligung rufen. Zehn Jahre wirkte Fritz Berger mit. Die Balken für den Dachstock über der Bühne (für 2000 Leute!) mussten Fritz Meisters Pferde 1914 vom Tal hinaufschleppen. Das Strässlein vom Ramisberg wurde erst 1925 erstellt.
Es geht ums Evangelium!
Walter Widmer schildert, wie die leitenden Brüder mit dem Heiligen Geist rechneten. Im Voraus bekanntgegeben wurden nur das Thema und die Bibelstellen; für jede Versammlung erhielten sechs Predigerbrüder beim Ankommen den Auftrag, eine Kurzbotschaft zu halten! (Später sprachen fünf, dann vier; erst 1970 wurde eine Rednerliste vorab publiziert.) Männer und Frauen sassen getrennt.
In einem grossen Kessi wurde die Eigen-Suppe aus Kartoffeln und Gemüse zubereitet. Viele übernachteten hier und in umliegenden Dörfern. 1934 wurde erstmals ein Verstärker für die Leute in der Hostet eingesetzt. In der schweren Zeit des Kriegs sammelten sich die Leute, viele erschöpft, zum Beten. 1972 durfte erstmals eine Frau zu den Jugendlichen reden, 1988 eine Frau auf der Heubühne predigen.
Walter Widmer skizziert das internationale Beziehungsnetz des VLKG, welches sich in den Referenten spiegelte: «Innerhalb einer schmalen Konferenz tat sich eine enorme Weite auf: Leute hörten das Evangelium von verschiedenen Seiten» - auch mit durchaus einseitigen Auslegungen.
Ständig präsent war die Spannung zwischen Gesetz und Gnade. Die Verantwortlichen waren häufig angefochten. «Man musste den Weg finden miteinander – manchmal wurde viel Geschirr zerschlagen.»
«Der Eigen – ein Kraftort»
Zum farbigen Rückblick Walter Widmers, dessen heitere Pointen auch Eigentümliches treffen, stellt Peter Herrmann seine Kindheits-Erinnerungen an das «Freundes- und Familientreffen». Vom Eigen ging man zur Gotte in die Ferien. «Wir bestaunten Töffs, beobachteten Menschen. Die Freiheit auf dem Eigen war sehr gross. In der Hostet konnte man liegen oder auch schlafen.»
Das gemeinsame Singen und Beten schweisste zusammen. Der Büchertisch war wichtig, die starken Jugendabende, die Bläserformationen. Walter Widmer ist dankbar für die Spur, welche die Gründerväter legten. Über Generationen, in Mangel und Not, im Kalten Krieg, angesichts der Globalisierung wurde das Evangelium weitergegeben und Glauben geschult. Die Verkündiger ergänzten einander. «Gott spannt Originale ein. Wenn sie offen sind, kann er sie brauchen.»
Peter bezeichnet den Konferenz-Hof als «Kraftort». Walter sagt: «Wir vertrauen, dass der Segen, der auf die Eigen-Konferenz ausgeschüttet wurde, weiterhin ins EGW und weit über uns hinaus fliesst.»
Nach diesem faszinierenden Rückblick werden – stellvertretend für alle, die die Konferenz möglich machten und mithalfen – sieben Personen geehrt: die Bauersleute Adrian und Petra Meister, die früheren Gastgeber Martha Meister und Rösli und Godi Meyer, auch Küchenchef Pesche Blaser und Gerhard Rüfenacht, der sich während 60 (!) Jahren engagierte und für guten Ton sorgte. Peter und Walter bitten um den Segen. «Wir wollen Brücken bauen und Frieden stiften. Hilf uns dazu.»
Abschlussgottesdienst
Nach dem Jugendabend folgt am Sonntagvormittag im EGW-Zentrum im Weier der festliche Abschlussgottesdienst mit Abendmahl. Nach dem imposanten Bläsergruss der Brassband Felsegg gibt Thomas Gerber seinen eigen-artigen Gefühlen Ausdruck: der Dankbarkeit über empfangenen Segen – und dem Bewusstsein, dass es nicht Erlebtes zu konservieren, sondern Segen weiterzugeben gilt. «König ist der Herr, Völker, gebt ihm Ehr», singt die Festgemeinde.
Abschied nehmen tut weh, braucht Kraft und löst manchmal auch Trauer und Wut aus, sagt Co-Präsidentin Monika Haldimann.
Der evangelische Auftrag des EGW bleibt nach 114 Jahren Eigen-Konferenz derselbe. Das neue Leitbild des EGW, derzeit in Arbeit, nimmt ihn auf, auch die künftige jährliche Veranstaltung (siehe Text unten).
Andreas Blaser, der die Konferenz seit 2009 umsichtig geleitet hat, wird von Thomas Gerber zu seinen Erfahrungen befragt. Er buchstabiert das Thema dieses Jahres «Gesegnet» eigen-bezogen: Gnade – einzigartig – Sommer, Sonne, Sauwetter – Eigen – Gemeinschaft, Gerhard, Godi – nahrhaft – ein Eis – Theologie, tatkräftig, HeiligkeiT.»
Aufblicken: Die Hilfe kommt von Gott
Andreas Blaser predigt über Psalm 121. Der Beter, Pilger auf dem bergigen Weg nach Jerusalem, «nimmt den Blick weg von den Bergen mit ihren Gefahren», um ihn auf Gott zu richten. Denn von Ihm kommt die Hilfe. Er behütet auf dem Weg – und ist immer wach. «Bin ich bereit, immer wieder Dinge zurückzulassen und mich auf Jesus und sein Reich auszurichten?»
«Unser Lebensweg bleibt gefahrenvoll», bemerkt Andreas Blaser. «Aber wenn ich mit Gott auf der Reise bin, ist dieser Weg von Gottes Schutz begleitet, von der Abreise bis zur Heimkehr.» Er soll von Lob und Anbetung begleitet sein. «Ein Loblied auf den Lippen macht die Reise leichter und hoffnungsvoller.»
Wesentlich fürs Pilgern ist die Sehnsucht nach dem Ziel: dem Verweilen in der Gegenwart Gottes. In der am Sinai errichteten Stiftshütte sprach Gott vom Sühnedeckel auf der Bundeslade zu Mose. In der Lade befand sich das Gesetz – «über dem Gesetz aber steht Gottes Gnade!» Als Christen, sagt Blaser mit Hebräer 4,16, «dürfen wir Tag für Tag vor den Thron seiner Gnade treten – dürfen so, wie wir sind, zu Jesus kommen und finden dort Gottes Gnade.» Nach dem Abendmahl und Danksagungen spricht Andreas Blaser mit Worten aus Psalm 121 den Segen.
Namens der Leitung würdigt und verdankt Thomas Gerber den enormen Einsatz, die Sorgfalt und Weisheit von Andreas Blaser in der Leitung der Eigen-Konferenz seit 2009. Seine Frau Anita, die das Engagement mittrug, steht auch auf der Bühne. Er erhält einen Liegestuhl geschenkt.
Gnade – unergründlich, unfassbar reich
Den Reichtum der Gnade Gottes – und wie sie uns herausfordert – haben die Referenten an fünf Veranstaltungen von Mittwoch- bis Freitagabend aufgefächert. Die Fülle der Aussagen der Bibel sprudelt in den drei Abendbotschaften Andreas Hegers. Der Glaube wird gestärkt, indem ich erkenne, was ich in Jesus Gutes habe. «Wenn wir uns an der Gnade Gottes genügen lassen, haben wir Kraft, sind wir gesegnet», betont Heger mit 2. Korinther 12,9. Die Liebe Gottes ist unergründlich. Er will uns durch und durch heiligen (1. Thessalonicher 5,23). Christen können sich im Wort Gottes gründen und aus seinem Reichtum leben. – Die Videos der Veranstaltungen finden sich hier.
Stellen des Alten und Neuen Testaments fügen sich im Konferenzsaal im Weier zu einem frohmachenden Strauss. Nach einem Blick auf die Stiftshütte spricht Linda Steiner vom unglaublichen geistlichen Segen, der uns durch Christus zukommt: Erwählung, Erlösung und Versiegelung (Epheser 1). Christoph Brassel fragt: Kennen wir die Kraft des Heiligen Geistes in unserem Leben? Wissen wir, was für einen mächtigen Freund wir haben dürfen, der mit uns im Alltag unterwegs ist? (Galater 3,13f)
Gesegnet- sein – auch eine Last?
Rosmarie Heiniger beleuchtet den Segen an Abraham, mit dem Gott die Negativspirale der menschlichen Entwicklung durchbricht: «Ich will dich segnen … und du sollst ein Segen sein» (1. Mose 12,2). Sie fragt: «Könnte es sein, dass Gesegnet-Sein manchmal auch eine Last ist?» Und bohrt: Was haben andere vom Segen, den ich empfangen habe? «Wir haben alle in irgendeiner Form etwas weiterzugeben von dem Segen, den Gott uns gibt.» Diese Verantwortung bedeutet auch, Ja zu sagen zum Leiden an dieser Welt. Denn «Gott segnete Abraham mit dem Ziel, die Welt zu heilen».
Gott schafft Neues
Philippe Otti legt den Aaronitischen Segen (4. Mose 6) aus dem hebräischen Urtext aus. Der Segen zielt aufs Wachsen und Aufblühen und Frucht-Tragen. Das Leben ist bedroht, umkämpft. «Wir sind auf Gott und seinen Schutz angewiesen.» Gott wendet sich uns zu. «Er zeigt sein Gesicht, kommt nahe, drückt sein Wohlwollen aus – und das bringt Freimut, Zuversicht und Leben zu uns.»
Otti schlägt den Bogen zur Taufe auf den Namen des dreieinigen Gottes, die Jesus in Matthäus 28,20 anordnet. «Auf den Spuren von Jesus lernen wir, was es bedeutet und auch kostet, den Namen ‹Jahwe› unseres Schöpfers und den Namen ‹Christ› unseres Herrn recht zu tragen, damit unser Gott in der Welt Gewicht und Gehalt bekommt und als der lebendige, auferstandene Gott sichtbar wird.»
Text: Peter Schmid. Bilder: Lukas Kaufmann, Josua Oppliger
Neuer gesamtwerklicher Anlass ab 2023
Die Leitung EGW hat entschieden, die Zeit der Eigen-Konferenzen abzuschliessen. Gleichzeitig setzte sie eine Spurgruppe ein. Diese legte in einem Konzeptvorschlag dar, wie die Stärken der Eigen-Konferenz und des Jahresfests vereint werden können. Im Frühsommer hat die Leitung den Konzeptvorschlag genehmigt und verabschiedet.
Das Ziel des neuen gesamtwerklichen Anlasses bleibt, Menschen mit Gott zu verbinden, biblische Themen zu vertiefen, Impulse für den Alltag zu vermitteln, den Zusammenhalt der Bezirke zu fördern sowie über Generationen hinweg Begegnungsmöglichkeiten zu schaffen. Dabei soll auch eine gemeinsame Sicht für das Reich Gottes gefördert werden, soll gespielt, gegessen und gefeiert werden können.
Drei Vortragsabende mit Übertragung in alle Regionen
Der neue gesamtwerkliche Anlass ist mehrtägig und findet wenn möglich jeweils vor und am ersten Septemberwochenende statt: Drei Vortragsabende von Mittwoch bis Freitag werden aus einem Bezirk mit Livestream in andere Bezirke übertragen. Gedacht ist, dass sich Bezirke zu regionalen EGW-Treffpunkten zusammentun und dass auch Freunde zu diesen Abenden eingeladen werden.
Die Ausgestaltung der Abende in den empfangenden EGW-Treffpunkten oder Bezirken, etwa mit Apéro oder kanadischem Buffet, liegt in der Kultur des jeweiligen Bezirks oder Treffpunkts. Der Aufwand soll verhältnismässig bleiben und doch ermöglichen, Gastfreundschaft und Beziehungen zu pflegen. Der Austragungsort wechselt jährlich die Region des EGW.
Festwochenende für alle
Anschliessend an die Vortragsabende folgt das Festwochenende mit einem Ausflug für Gross und Klein am Samstag. Angedacht sind Erlebnispfade, Führungen, Spiele usw. In der Mehrzweckhalle des Waffenplatzes in Bern folgen am Samstagabend eine Worship-Night und am Sonntag der Festgottesdienst mit einem parallelen Programm für Kinder. Mit dem Mittagessen bei Imbissständen und offenem Ende endet der neue gesamtwerkliche Anlass.
Das Datum 2023 steht auch schon fest: Mittwoch 30. August bis Sonntag, 3. September.
Wer gern in einem motivierten Team den einen oder anderen Teil dieses neuen Anlasses mitgestalten möchte oder Fragen dazu hat, darf sich melden bei thomas.gerber [at] egw.ch (thomas[dot]gerber[at]egw[dot]ch), 031 330 46 44.
Thomas Gerber, Ressort Organisation und Kontakte