Der grosse Wert tragender Gemeinden

Montag, 10. Februar 2025

Im August 2024 wurde das EGW Thun geschlossen und ist Geschichte. Wer aber mit Magda und Walter Lüscher ins Gespräch kommt, wird schnell merken, dass Gott durch diese Gemeinde Geschichten geschrieben hat, die auch heute noch lebendig sind.

Im Jahr 1999 kehrte Magda nach einem längeren Missionseinsatz in die Schweiz zurück und liess sich in Thun nieder. «Ein Jahr lang wohnte ich bei einer Freundin und kam durch sie ins EGW.» Hier wurde sie herzlich willkommen geheissen und die Gemeinde blieb ihr ein Zuhause, auch wenn sie die Anlässe aufgrund ihrer Arbeitsstelle im Läbeshuus nicht regelmässig besuchen konnte. Der Rückblick auf das Vierteljahrhundert im EGW Thun lässt bei Magda viele Erinnerungen aufkommen – und ganz viel Dankbarkeit!

 

Gemeinde besteht aus Beziehungen

Nach seiner Pensionierung machte Walter 2008 eine halbjährige Auszeit im Läbeshuus. Dass es nicht bei den sechs Monaten blieb, lag vor allem an Magda, zu welcher sich eine Beziehung der besonderen Art entwickelte – die beiden heirateten 2009. Nach zweieinhalb Jahren zügelte das Ehepaar von Heiligenschwendi nach Thun; Jahre des Engagements im EGW Thun standen bevor.

Leider erkrankte Walter 2015 an Krebs, worauf er seine Verantwortung als Bezirksrat niederlegte. Die Therapie sprach gut an und er ist inzwischen seit neun Jahren krebsfrei. Trotz des eingeschränkten Engagements in der Gemeinde erstarkten gerade in der Krankheitszeit viele Beziehungen. Die beiden sind dankbar für die lieben Leute, die ihnen treu zur Seite standen, für sie beteten und tatkräftig unterstützten. Und bei der Erinnerung an die vielen Weggefährten der vergangenen Jahre kommen Lüschers ins Schwärmen. «Da waren wirklich viele sehr interessante Leute!» Die Geschichten rund um diese Leute faszinieren sie bis heute.
 

Später folgte Magda dem Ruf in den Bezirksrat, wo sie sich bis zuletzt einsetzte. Und gemeinsam mit Walter kümmerte sie sich um die Menschen. «Lüschers waren im EGW Thun aussergewöhnliche Säulen», sagt Ruedi Freiburghaus, welcher in den letzten Jahren als Pfarrer wirkte. «Die beiden dienten mit viel Beharrlichkeit, Treue und mit hohem Engagement. Sie waren auch beide in der Verkündigung tätig.» Ruedi lobt die Hingabe von Magda und Walter und deren pastoralen Dienst. «Man spürte, dass die beiden früher als Missionare in Gemeinden dienten.»

Gemeinde: Selbst in Stürmen ein Zufluchtsort

Dass in Gemeinden nicht alle Beziehungen Stürme überleben, mussten auch Lüschers in den vergangenen Jahrzehnten erleben. Nachdem die Gemeinde 2010 noch aus knapp  100 Mitgliedern bestand, nahm die Zahl beständig ab. Für einige war der Wechsel des Gottesdienstlokals der Anlass, für andere mangelnde Angebote für Kinder. Schwierige Umstände führten zu zwischenmenschlichen Spannungen – die Gemeinde schrumpfte immer mehr.

So traurig gewisse Dinge auch gelaufen sind, Lüschers stellten ihren Platz nicht in Frage. Sie freuten sich an der Gemeinschaft, welche zunehmend aus Mitgliedern in fortgeschrittenem Alter bestand. Über das Engagement von Ruedi Freiburghaus sind die beiden dankbar. «Er ist ein ausgeprägter Hirte, welcher besonders auch mit älteren Leuten einen guten Umgang pflegte», sagt Walter. An dieser Stelle denken Lüschers auch mit grossem Respekt und Dankbarkeit an Anita Kromah, welche sich «trotz vollem Arbeitspensum nicht zu schade war, neben ihrem langjährigen Mandat als Bezirksrätin in den verschiedensten praktischen Belangen tatkräftig Hand anzulegen.»

Ab 2013 traf sich die Gemeinde für ihre Anlässe in der Markuskirche. «Die Zusammenarbeit mit den Sigristen und der Pfarrerin war sehr angenehm», berichtet Magda und ergänzt mit Freude, dass sie sich nicht ums Putzen kümmern mussten. «Natürlich haben wir aber auch etwas dafür bezahlt.»

Alles hat ein Ende …

Das meiste, was wir in dieser Welt geniessen, gehört der Vergänglichkeit an. Das betrifft auch Lokalgemeinden. Obwohl wir hoffen, dass diese noch für viele Generationen ein Segen sein dürfen, werden sie doch einmal ein Ende finden. Und eine Gemeinde zu Grabe zu tragen, steht auf keiner Wunschliste. Im EGW Thun wurde das Ende aber immer deutlicher. Es fehlte an den Kräften, um die nötigen Ämtli abdecken zu können – eine Tatsache, welche gerade auch im Blick auf die anstehende Pensionierung von Ruedi Freiburghaus zusätzlich bewusst wurde.

«Wir hatten schon lange gedacht, dass es zu einem Ende kommen wird», sagt Walter. Als Ehepaar kümmerten sie sich aber weiterhin um die alten Menschen. Plötzlich ging es dann schnell und im August 2024 wurde der Bezirk EGW Thun offiziell geschlossen. Als Niederlage verstehen Lüschers dies jedoch nicht und soweit sie es beurteilen können, sind die meisten Mitglieder mit der Situation versöhnt.

Damit alle ein Zuhause finden

Inzwischen haben viele ehemalige Mitglieder des EGW Thun ein neues geistliches Zuhause gefunden. Lüschers fühlen sich im EGW Steffisburg genauso gut aufgenommen, wie sie es in Thun waren. «Wir hoffen, dass alle irgendwo Anschluss finden!» Dies sei leider noch nicht der Fall. Aktuell begleiten Lüschers und Anita Kromah diese Leute. Ihnen ist aber bewusst, dass sie diese Aufgabe nicht ewig wahrnehmen können. Die Kräfte lassen nach. Doch solange es möglich ist, werden sie ihren Hirtendienst wahrnehmen.

«Wir treffen uns einmal im Monat, um gemeinsam zu beten und die Bibel zu lesen», erzählt Magda. Und Walter erklärt: «Es geht einerseits darum, denjenigen, die noch keine Gemeinde gefunden haben, ein Zuhause zu geben und andererseits, die wertvolle Gemeinschaft weiter zu pflegen.» Magda und Walter haben die Bedeutung von Gemeinschaft verstanden. «Wir brauchen einen Ort, um im Glauben wachsen, einander unterstützen und tragen zu können.»

 

Bericht in der Februar-Ausgabe vom wort-wärch erschienen. | Text: Markus Richner-Mai, Redaktion | Bilder: Markus Richner-Mai, Markus Aerni