54 gute Ehejahre durften Heinels erleben, bis Käthi ihrem Kampf gegen den Krebs erlag. Trotz seiner privilegierten Lage, in einem guten sozialen Umfeld eingebettet zu sein, ist die neue Situation als Witwer nicht einfach. Anderthalb Jahre nach dem Tod von Käthi ist Horst noch immer dabei, sich beim Esstisch an den leeren Stuhl zu gewöhnen, welcher ihn schmerzhaft an vergangene Jahre erinnert.
Gute Ehejahre und eine brutale Diagnose
Nicht dass Käthi und Horst keine Probleme gehabt hätten – die strapaziöse Geburt des ersten Kindes, welche nicht nur das Baby, sondern auch Käthi in Lebensgefahr brachte, blieb unvergessen. Und das zweite Kind verstarb am zweiten Lebenstag. Eine harte Zeit, welche das Ehepaar Heinel jedoch noch näher zueinander brachte. Es folgten dann noch zwei Töchter und viele gute Jahre, welche zwar durchaus auch von den üblichen Herausforderungen des Alltags geprägt waren.
Im Frühling 2021 zogen dann wirklich dunkle Wolken auf. Bei Käthi machten sich gesundheitliche Probleme bemerkbar, welche im Juli zu einer niederschmetternden Diagnose führten. «Sie hatte schnellwachsende Tumore am Darm», erzählt Horst. «Die Situation war fortgeschritten, die Ärzte gaben keine Überlebenschance, hofften aber, sie durch eine Chemotherapie unter Kontrolle zu bekommen.»
Die letzte Zeit als Ehepaar
Ein Jahr lang wurde Käthis Leben mit einer Chemotherapie verlängert. Alle 14 Tage eine Verabreichung, anschliessend eine Woche mit heftigen Nebenwirkungen und dann ein paar gute Tage, welche richtig ausgekostet wurden. «Die Zeit, die uns noch blieb, haben wir bewusster erlebt, denn wir wussten nie, ob wir gerade den letzten gemeinsamen Ausflug machten.» Doch das ständige Auf und Ab setzte Käthi auch psychisch zu. Dann konnte keine Stabilität mehr erreicht werden und die Ärzte mussten den Kampf aufgeben. Von da an ging es steil abwärts. «Wir konnten nichts anderes mehr tun, als weiterhin miteinander zu beten und Gott um Kraft zu bitten.» Rückblickend staunt Horst, wie die Zeit der Krankheit nicht nur sie als Ehepaar zusammenschweisste, sondern die ganze Familie.
Käthi starb am 23. März 2023.
Jesus tröstete ihn
Viele Menschen sprachen Horst ihr Beileid aus; er erhielt über hundert Kondolenzkarten. Die Anteilnahme war überwältigend. Manchmal fühlte er sich von gutgemeinten Trostworten aber auch überfordert und zuweilen quälten ihn die christlichen Wahrheiten, welche wie leere Floskeln auf ihn einprasselten. Aufrichtige Anteilnahme zu erfahren, bedeutete ihm hingegen viel – und hierzu brauchte es weder viele Worte noch tiefe geistliche Erkenntnisse. Jesus vermochte sein Herz zu trösten, wie kein Mensch es konnte. «Oftmals trafen die täglichen Losungen genau auf meinen aktuellen Zustand.»
«In den Augenblicken, als ich es am nötigsten hatte, verspürte ich immer wieder Gottes speziellen Händedruck! Zum Beispiel durch den Besuch mir liebgewordener Menschen.» Horst erzählt von der erfahrenen Nähe Gottes in seiner stillen Zeit. Es gab aber auch Telefonanrufe zur rechten Zeit oder «zufällige» Begegnungen im Dorf. «Oft erfuhr ich auch Gottes praktische Unterstützung in meiner Tagesplanung. Plötzlich zu spüren, dass ich meine Prioritäten anders setzen muss, stellte sich rückblickend als Führung Gottes heraus.»
Die Kunst echter Anteilnahme
Heute ringt Horst darum, leidgeprüften Menschen echte Anteilnahme entgegenzubringen – beispielsweise beim Schreiben einer Karte. «Grundsätzlich versuche ich ohne billige Floskeln zu schreiben.» In seiner Berufslehre zum Friedhofsgärtner prägte sich eine Grabinschrift in seine Erinnerung ein. «Auf dem Grabstein stand das Wort ‹Unvergessen›, während der Zustand des verwilderten Grabes etwas anderes ausdrückte.» So will Horst nicht billige Worte austeilen, welche nicht der Wirklichkeit entsprechen, sondern von Herzen anteilnehmen. Persönlich erlebt Horst es immer als wertschätzend, wenn Leute ausdrücken, was Käthi ihnen bedeutet hat und was sie mit ihr erlebt haben.
«Halt dich im Glauben an das Wort,
das fest ist und gewiss;
das führet dich zum Lichte
fort aus aller Finsternis.»
Zitat von Michael Müller
Trägt dich deine Lebensgrundlage?
«Ich treffe Leute auf dem Friedhof und komme mit ihnen ins Gespräch.» Es folgten daraufhin auch schon Einladungen zu einem Kaffee. Horst wünscht sich, bei solchen Gesprächen vermehrt auf die Ewigkeit hinweisen zu können. Das Fundament des Glaubens an Jesus Christus gab Horst nicht nur die Hoffnung auf das ewige Leben, sondern auch Kraft in der Zeit des Trauerns. Meist findet Horst kaum Worte, doch sein Erleben drängt ihn, Trauernde aufs Wesentliche anzusprechen.
«Ich habe erlebt, dass das, worauf ich mein Leben lang vertraut habe, auch in schwierigen Zeiten trägt.» In den schwierigsten Tagen zu spüren, wie Menschen für ihn beten – dafür ist Horst sehr dankbar.
Den empfangenen Trost teilen
In den vergangenen Monaten erlebte Horst wiederholt, wie Menschen in seinem Umfeld harte Diagnosen erhielten und sich auf das Ende des Lebens vorbereiten mussten. Dass er selbst ihre Erfahrung vor nicht allzu langer Zeit geteilt hat, hilft ihm bei den Begegnungen mit ihnen.
Es geht um Anteilnahme. Mehr als gute Ratschläge und weise Worte brauchen Trauernde jemanden, der sich auf ihre Seite stellt und an ihrem Schmerz anteilnimmt. Und wenn ein gläubiger Mensch den Leidenden im Gebet vor Gott bringen kann, ist ein wertvoller Dienst getan.
Oft erhalten wir im Alltag kleine Impulse von Gott. Im Umgang mit Trauernden, Leidenden oder Bangenden gilt es, diesen Impulsen einfach Folge zu leisten. Horst betont, dass es normalerweise nicht mehr braucht als dies.
Bericht in der Dezember-Ausgabe vom wort+wärch erschienen. | Bericht und Bilder: Markus Richner-Mai