Das Alter kommt über einen, ob man will oder nicht. Doch ist es eine Chance. In zwei facettenreichen Vorträgen schilderte es Vreni Theobald als eine Lebenszeit mit eigenem, kostbarem Inhalt und neuen Entwicklungsmöglichkeiten.
«Herr, weil mich festhält deine starke Hand, vertrau ich still», sang die Versammlung zu Beginn. Rest-Zeit und Best-Zeit gehören für Vreni Theobald zusammen. Doch: «Gilt Best-Zeit auch für die über 75jährigen, wenn Altersgebrechen eintreten? Wie kommen wir dazu, dass unsere Rest-Zeit eine Best-Zeit wird?»
Die aus dem Emmental stammende, im Tösstal lebende Referentin sprach am EGW-Seniorentag vom Alter als einer «Lebens-Hochschule» mit speziellen Fächern, die Ausdauer und Veränderungsbereitschaft erfordern. Als einem geistlichen Weg, auf dem man nicht ausruhen kann: «Im Alter wird nochmals neu buchstabiert, was Glaube bedeutet, was Jesus für uns ist.» Das Alter bereitet für die Ewigkeit vor; die Rest-Zeit ist begrenzt.
Die Jahre dankbar annehmen
Vreni Theobald machte Mut, zum Alter Ja zu sagen. «Es lässt sich nur gestalten, was wir annehmen.» Sie besuchte mehrere Räume der Hochschule. Zuerst die Sehschule. Das Alter ist so zu sehen, wie Gott es gemeint hat – nicht wie eine untergehende Sonne. Zweitens ist Geduld zu trainieren, «die Alltagsform der Liebe», auch Geduld mit uns selbst.
Drittens ist das Loslassen zu üben. «Loslassen gelingt uns dort gut, wo wir etwas Grösseres, Wertvolleres in Aussicht haben ... Es gibt leere Hände, die Gott füllen kann. In offenen Händen kann Neues wachsen.»
Im Glauben reifen
Das vierte Schulzimmer der Alters-Hochschule: Lebenssinn finden. Dann die Turnhalle: «aushalten, festhalten, innehalten, durchhalten». Vreni Theobald regte an aufzuschreiben, was man mit Gott erlebt hat. «Reifer Glaube darf wieder ganz einfach werden», sagte sie und buchstabierte Vertrauen: «Loslassen – mich Gott überlassen – das macht gelassen – und ich bin nicht verlassen.»
Grund zum Feiern
Auch am Nachmittag wurde Vreni Theobald ihrer Berufung – sie bezeichnete sich als «Lebensermutigerin» – gerecht. Sie lud ein auf die Sonnenseite der Alters-Hochschule.
Zuerst zum Feiern – denn Altwerden ist ein Grund zur Freude (Bibel, Prediger 9). Geniessen kann man es aber nur, wenn man innerlich zufrieden ist.
Wenn die Blätter fallen …
Vreni Theobald zog einen Vergleich zum Baum in den vier Jahreszeiten. «Im Alter kann man sich nicht mehr über die Blätter definieren.» Als Blätter könnten Beruf, Leistung, Tüchtigkeit, Aussehen, Erfolg, tolle Familie etc. gelten.
«Im Alter fällt das weg, womit wir uns in früheren Jahren schmücken und darstellen konnten. Im Winter kommt die eigentliche Gestalt zum Vorschein und man erkennt den Baum an seinem Wuchs, an seiner Form.»
Den Ausschlag gibt dann die Verwurzelung im Boden. Christen stehen, so Theobald, «auf einer uns zugesprochenen Identität, von höchster Autorität zugesprochenen Identität, die wir annehmen und beanspruchen dürfen». Sie nannte kostbare Bibelworte, darunter Römer 8,17: Wir sind Miterben von Christus.
Prioritäten verschieben sich
Im Winter geschieht in Bäumen «ein Zurückziehen der Kraft ins Innere». Für Senioren heisst das: «Im Inneren geschehen Veränderungen. Die Prioritäten verschieben sich. Die Pflege des inneren Menschen wird wesentlicher und wichtiger.»
So kam Theobald zu einer Beschreibung von Best-Zeit: «Ich stehe im Alter auf dem Fundament des Glaubens und lebe von der zugesprochenen Identität, nicht aus der selbst erarbeiteten. In mir geschehen Veränderungen: äussere Schwäche, aber inneres Vorbereitet-Werden für die Ewigkeit.»
Dankbar, offen, hoffnungsvoll
Dann kam die Referentin auf die Verankerung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu sprechen. «Unsere gelebte Geschichte ist ein kostbares Gut, eine Schatztruhe voller Erinnerungen. Aber nur dann, wenn sie aufgeräumt ist.» Die Zukunft sei nicht unklar noch düster: «Jesus hat uns versprochen, dass er zum Vater geht und dort Wohnungen vorbereitet für uns, damit wir bei und mit ihm sein werden in alle Ewigkeit.» Es tut gut, den Bibeltexten nachzusinnen, die vom Himmel erzählen.
Zur Gegenwart meinte Vreni Theobald: «Man muss sich immer wieder entscheiden, worauf man sieht, ob aufs Dunkle oder aufs Helle, aufs Gute oder aufs Schlechte. Man muss sich immer wieder entscheiden, ob man klagen oder danken will ... Wir müssen es unserem Herzen immer neu zusprechen und es ermutigen: ‹Sei nur getrost und unverzagt! Jesus ist da!›»
Gediegener Rahmen
Den gediegenen Rahmen gestaltete das Team um Alice Rüegsegger, die Verantwortlichen vor Ort und die Musiker Andreas Schütz, Johannes Jaggi, Elisabeth und Ruedi Bärtschi. Die Besucherinnen und Besucher hörten die Vorträge, sangen und beteten miteinander und genossen die Gemeinschaft, auch die währschafte Gerstensuppe und das Dessert. Im Rüegsauschachen und in Spiez nahmen insgesamt gegen 350 Personen teil.
Die Vorträge vom Vor- und Nachmittag zum Hören: